Oh Schreck, die Domain ist weg!

Was tun bei unbeabsichtigter Domain-Löschung?

Was ist zu tun, wenn Ihre wertvolle Domain "aus Versehen" gelöscht wurde und sich im schlimmsten Fall ein Dritter zwischenzeitlich diese Domain gesichert hat?

Zunächst ist zu klären, wie es überhaupt zu einem versehentlichen Verlust einer Domain kommen konnte.

Denkbar sind hier grundsätzlich zwei Konstellationen.

Zum einen kann es passieren, dass der Provider, bei dem die Domain registriert worden ist, diese unbeabsichtigt löscht bzw. freigibt. Die Registrierung, Löschung und Übertragung von Domains ist in den letzten Jahren zu einem Massengeschäft angewachsen (bis 31. Oktober 2005 waren bei der Denic 9.209.077 Domains registriert). Fast zwangsläufig wächst mit der Anzahl der domainbezogenen Transaktionen auch die Gefahr, dass bei der Abwicklung Fehler passieren. Schlimmstenfalls verlieren Sie bei dieser Angelegenheit eine Domain; sei es beispielsweise, dass der Provider keine Gebühren an die zuständige Registrierungsstelle zahlt oder sei es, dass im Rahmen eines Löschungsauftrags schlicht die falsche Domain gelöscht wird oder bei einem KK-Antrag (Übertragung einer Domain) ein Fehler passiert.

Auf der anderen Seite kann es vorkommen, dass ein Mitarbeiter oder der sog. Admin-C des Domaininhabers bei der Verwaltung und Pflege der Domain unbeabsichtigt einen Löschungsauftrag an den Provider abschickt.

Zwar legen die meisten Provider in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen fest, dass die Kündigung bzw. Löschung einer Domain nur schriftlich oder per Fax vorgenommen werden kann, einige Provider stellen (daneben) aber zudem Möglichkeiten bereit, eine Domain online zu übertragen (Providerwechsel etc.) und eben auch zu löschen. Dies führt nicht selten dazu, dass mit einem "Fehlklick" statt der eigentlich gewollten Aktion versehentlich der Auftrag zur Löschung der Domain „abgeschickt“ wird. In der Regel ist die Domain ohne weitere Zwischenschritte dann erst einmal weg.


Was ist also zu tun, wenn Sie den Verlust der eigenen Domain feststellen ?

Zunächst sollte überprüft werden, ob die betreffende Domain noch "frei" ist, oder ob sich bereits ein Dritter diese gesichert hat. Am einfachsten lässt sich dies über die Whois-Abfrage auf der Denic-Homepage bewerkstelligen. Stellt sich hierbei heraus, dass ein Anderer schneller war als Sie selbst, hängen die nächsten Schritte davon ab, welche Ursache dem Domainverlust zugrunde liegt.


1. Variante: Der Provider hat die Domain "aus Versehen" gelöscht:

Grundsätzlich besteht zwischen dem Domaininhaber und dem Provider ein Vertrag (Miet- oder Pachtvertrag), der regelt, welche Vertragsleistung jeweils geschuldet ist.

In der Regel verpflichtet sich der Provider, für den Domaininhaber die entsprechende Domain zu registrieren und ggf. für diese Speicherkapazitäten bereitzustellen, wofür der Domaininhaber als Gegenleistung Gebühren entrichtet. Löscht der Provider nunmehr ohne Veranlassung die Domain, so kann er den Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht mehr nachkommen. Stellt sich dann zusätzlich noch heraus, dass den Provider bezüglich der Löschung ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) trifft, so steht der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches eigentlich nichts mehr im Wege. Zwar schränken die Provider in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen häufig die Haftung für fahrlässiges Verschulden ein, im Falle eines Prozesses obliegt es dem Provider dann allerdings zu beweisen, dass ihm ein entsprechendes Verschulden nicht vorzuwerfen ist. Da dies aus praktischen und rechtlichen Gründen oftmals nicht gelingen wird, sind die Aussichten im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung den Prozess zu gewinnen, grundsätzlich als positiv zu bewerten, wobei jeder Einzelfall vorher sorgfältig geprüft werden sollte.

So hat das Landgericht Frankfurt a.M. am 30.04.2004 entschieden, dass ein Provider, der es versäumt hatte, die Gebühren für eine Domain an die zuständige Registrierungsstelle abzuführen, dem Domaininhaber gegenüber schadensersatzpflichtig ist.

Sogar einen Schritt weiter ging das Landgericht Görlitz in einer Entscheidung vom 31.08.2004. Hier warb ein mit der Domainregistrierung beauftragter Provider damit, Kundenaccounts innerhalb eines Tages frei zu schalten. Ein Kunde versuchte dann an einem Freitag sich eine Domain zu sichern, was aufgrund diverser Probleme bei der Registrierung nicht klappte. Dieses wurde anhand von Fehlermeldungen dokumentiert. Als der Kunde am folgenden Montag erneut versuchte, die Domain zu registrieren, war diese bereits vergeben. Das Gericht billigte dem enttäuschten Kunden einen Schadensersatzanspruch gegen den Provider zu, da dieser den Fehlermeldungen nicht unverzüglich auf den Grund gegangen war und damit pflichtwidrig (d.h. schuldhaft) handelte.

Steht damit im Einzelfall fest, dass ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht, stellt sich die Frage, was denn überhaupt verlangt werden kann. Entgegen weitverbreiteter Ansicht beschränkt sich ein Schadensersatzanspruch nicht nur auf die Zahlung einer Geldsumme. Hier besteht alternativ bzw. zusätzlich die Möglichkeit, den Provider zu der Rückübertragung der verlorengegangenen Domain zu verpflichten. D.h. der Provider muss sich bemühen, die Domain von dem neuen Inhaber zurückzuerlangen. Ist dies nicht möglich, weil der neue Inhaber die Domain behalten will, so kann weiterhin auch die Zahlung eines angemessenen Geldbetrages für den Verlust der Domain verlangt werden.

Der Schadensersatzanspruch umfasst dann nicht nur den "Wert" der Domain, sondern auch die bereits an den Provider gezahlten Gebühren und unter Umständen sogar Zahlungen für den Erreichbarkeitsausfall, falls damit wirtschaftliche Einbußen (insbesondere bei kommerziell genutzten Domains) verbunden waren.

Bevor ein Klageverfahren eingeleitet wird, sollte zunächst der Provider kontaktiert und über die Sachlage informiert werden. Der Provider wird im Zweifel ebenfalls an einer schnellen außergerichtlichen Klärung der Angelegenheit interessiert sein.

Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen der ehemalige Domaininhaber besonders geschützt wird. Das gilt insbesondere dann, wenn es um Domains mit marken- und namensrechtlichen Bezug geht. Kann der ehemalige Domaininhaber nachweisen, dass die Verwendung der Domain durch den neuen Domaininhaber ihn in seinen Rechten verletzt, so können ihm Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung des Domain-Namens sowie auf Schadensersatz wegen unberechtigter Verwendung zustehen. Wann solche Ansprüche gegebenenfalls bestehen, hängt vom Einzelfall ab. Jedenfalls wird ein Unternehmen, dass überregional bekannt ist, gute Chancen haben, seine Marken- und Namensrechte im Domainbereich gegen Dritte durchzusetzen, soweit der Dritte nicht seinerseits besondere und überwiegende Interessen an der Verwendung gerade dieser Domain oder prioritätsältere Kennzeichnungsrechte nachweisen kann.

Es ist ratsam, sich hier zunächst direkt mit Hilfe eines spezialisierten Rechtsanwaltes an den (unberechtigten) Inhaber der Domain zu wenden und diesen unter Hinweis auf ein drohendes gerichtliches Verfahren zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs-, Verpflichtungserklärung zu bewegen. Reagiert der neue Domaininhaber nicht, muss ein gerichtliches Verfahren angestrengt werden. Wenn dann in einem gerichtlichen Verfahren abschließend, d.h. durch rechtskräftiges Urteil festgestellt worden ist, dass die Domain dem vormaligen Inhaber zusteht, kann dieser bei der Denic die Löschung der Domain (des Dritten!) beantragen. Um zu verhindern, dass die Domain während des Rechtsstreits weitergegeben wird (oder nach der Löschung wieder ein Dritter schneller ist) sollte im Vorfeld vor Beginn der gesamten Auseinandersetzung bei der Denic ein so genannter „Dispute“beantragt werden. Dieser sorgt dafür, dass die Domain für die Dauer des Dispute-Eintrags (zunächst für 1 Jahr) nicht "weiterveräußert" werden kann und im Falle der Freigabe bzw. der Löschung, die Domain automatisch an den Dispute-Antragsteller zurückgeht bzw. übertragen wird.

(Anmerkung: Diese Konstellationen beschränken sich natürlich nicht nur - aber eben auch - auf die Fälle, in denen eine Domain durch das Verschulden eines Providers "verlorengegangen" ist. Markenrechtlicher oder namensrechtlicher Schutz besteht natürlich unabhängig davon, ob der Berechtigte vormals Inhaber der umstrittenen Domain war oder nicht.)


2. Variante: Ein Mitarbeiter/Arbeitnehmer versendet online versehentlich einen Löschungsauftrag

 Hier sind in erster Linie an Ansprüche gegen den Arbeitnehmer zu denken. Ähnlich wie bei der Problematik in der „1.Variante“ haftet ein Arbeitnehmer, wenn er vorwerfbar einen Schaden (Verlust der Domain) im Rahmen seiner Tätigkeit zu Lasten des Arbeitgebers verursacht. Auch hier kann grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch entstehen: entweder auf Zahlung von Geld oder auf Verpflichtung des Arbeitnehmers auf "Rückerwerb" der Domain. Allerdings haften Arbeitnehmer nicht für jedes Fehlverhalten, da sie tagtäglich dem Risiko ausgesetzt sind, durch kleine Fehler gegebenenfalls große Schäden anzurichten. Arbeitsgerichte billigen ihnen daher sozusagen zu, Fehler machen zu dürfen, ohne für den Schaden aufkommen zu müssen. Das gilt zumindest für Fehler, die typischerweise bei der entsprechenden Tätigkeit auftreten können, d.h. je größer die Gefahr ist, dass ein Fehler unterläuft, desto gröber muss der Arbeitnehmer gegen seine Verpflichtung zum "ordentlichen" Arbeiten verstoßen haben. Dies führt im gerichtlichen Verfahren zu einem nicht unerheblichen Risiko, den Prozess zu verlieren, da der Arbeitgeber eigentlich nur bei gröbsten Verstößen oder Absicht sicher sein kann, einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Unabhängig davon stellt sich hier zudem die Frage, ob ein Unternehmen überhaupt gegen seinen Arbeitnehmer klagen will und ob sich dies überhaupt lohnt. Im Zweifel ist ein verklagter Arbeitnehmer finanziell nicht in der Lage, für den Schaden insbesondere von sehr wertvollen Domains aufzukommen.

Eine weitere Möglichkeit ist, die Löschung an sich "rückgängig" zu machen (also kein Fall des Schadensersatzes). Bei dem Löschungsantrag handelt es sich eigentlich um nichts anderes als um eine Kündigung des Domainvertrages. Für den Fall, dass eigentlich gar nicht gekündigt werden sollte, sondern nur aufgrund eines "Fehlklicks" im Online-Formular die Kündigungserklärung verschickt worden ist, besteht unter sehr engen Voraussetzungen die Möglichkeit, die Kündigung nachträglich wieder aus der Welt zu schaffen (sog. Anfechtung wegen Erklärungsirrtum). Dies hat zur Folge, dass man zumindest juristisch betrachtet die Domain nie verloren hat. Leider ist dieses Verfahren nicht ganz einfach: Zum einen muss eine unverzügliche Erklärung nach Entdeckung des Irrtums an den Provider ergehen, dass die Kündigung unbeabsichtigt erfolgte. Problematisch ist hier bereits, dass der Anfechtende beweisen muss, dass die Kündigung irrtümlich erfolgte – in der Praxis wird dies selten möglich sein. Denn: In der Regel wird der Benutzer vor Absendung des Online-Formulars noch einmal gefragt, ob er diese "Erklärung" wirklich absenden will (sog. Sicherheitsabfrage) und muss dies durch einen Klick auf einen Button erneut bestätigen. Daher wird man in diesen Fällen nicht mehr mit dem Einwand durchkommen, dass man diese Erklärung eigentlich nie abgeben wollte. Ein weiteres Problem kommt hinzu: Da der Provider nicht damit rechnen musste und konnte, dass die Kündigung rückwirkend unwirksam wird, steht ihm ein Schadensersatzanspruch gegen den Anfechtenden zu.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich eine Anfechtung zumeist nicht lohnt – vor allen Dingen wegen der schlechten Erfolgsaussichten bei einem anschließenden Prozess. Besonderheiten ergeben sich nur dort, wo der Domain-Name mit Marken- und Namensrechten zusammenfällt. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
 

Fazit:

Unterläuft dem Provider ein Fehler, der zur Löschung/Freigabe der eigenen Domain führt, so bestehen durchaus Möglichkeiten, die Domain wiederzubekommen oder zumindest einen angemessenen finanziellen Ausgleich für den Verlust zu erhalten. Liegt dagegen ein Fehler auf der eigenen Seite vor, sind die Chancen für Ersatz auf rechtlichem Wege relativ schlecht, wobei die Erfolgsaussichten immer an den Besonderheiten des Einzelfalls zu messen sind.
 

Beitrag von Rechtsanwalt Ulrich Luckhaus, Spezialist für Domain- und Markenrecht,

Rechtsanwaltskanzlei Danuser & Luckhaus, Köln

www.ihr-markenanwalt.de

 

Mehr „Domain-Wissen“ finden Sie in unserem Ratgeber.